Skip to content →

Exhibition – At the Edge

At the Edge, Christina Kirchinger & Melanie Siegel, 2023
Kunstverein Landshut

Das englische edge bedeutet nicht nur Grenze, Rand oder Saum, sondern auch Kante in mathematisch-technischem Sinn. Beides spielt im jeweiligen Werk der Künstlerinnen zusammen. An den Rändern der Realität entwerfen Christina Kirchinger und Melanie Siegel Bildräume, die sowohl den vom Menschen gebauten Raum als auch dessen physikalische Struktur befragen. Immer werden dabei die Wirklichkeit und deren Wahrnehmung in Frage gestellt.

Christina Kirchinger beschäftigt sich mit dem physikalischen Raum und seinen drei Dimensionen. In ihren Radierungen macht sie das Überlagern und Schichten von Raumebenen und das damit verbundene Verbergen und Eröffnen sichtbar. Ihre Arbeiten erinnern an Durch- und Ausblicke, verweisen auf ein vermeintliches Davor oder Dahinter. Aus der Ferne sind manche dieser fein nuancierten Arbeiten kaum wahrnehmbar, erst bei näherer Betrachtung offenbaren sie ihre eigentümliche dreidimensionale Tiefenwirkung. Flächen stehen zueinander im Raum. Kanten werden zu Grenzen und Verbindungslinien. Die Kante spielt dabei eine weitere Rolle innerhalb der Technik der Radierung, bei der auf eine Kupferplatte gearbeitet wird, die anschließend gedruckt wird. Kirchinger nutzt die Mittel dieser Tiefdrucktechnik auf gekonnte Weise indem sie die Platten in autonome Formen sägt. Die Plattenkante wird dadurch selbst zum Rand, zur Grenze zwischen Papierraum und Plattenraum. Das Gedruckte gewinnt Objektcharakter. So scheinen ihre gedruckten Plattenkonstellationen entrückt von der Wirklichkeit im Papierraum zu stehen.

Die auf den ersten Blick realistisch anmutenden Landschaften von Melanie Siegel zeigen vorwiegend Sportplätze, Poolanlagen und Architekturen aus der Vogelperspektive –menschenleere Grenzräume zwischen Idyll und Nutzungsraum. Mögen die in Acryl und Öl gemalten Bilder zunächst äußerst realitätsnah erscheinen, so geht es doch vielmehr um die Infragestellung von Realitäten. Im Malprozess werden aus Versatzstücken der Wirklichkeit und persönlicher Imagination filmisch anmutende, fiktionale Szenarien konstruiert. Eine vordergründige Ruhe und Harmonie durchziehen sämtliche Arbeiten. Den Inszenierungen ist jedoch eine subtil ambivalente Atmosphäre zu eigen. An der Grenze von Ruhe zur Unruhe, auf der Schwelle zwischen Utopie und Dystopie stellen die Bilder den Zwiespalt zwischen Natursehnsucht und konstruierter Lebenswelt zur Schau. Ein Verweis auf die menschliche Existenz bleibt allein in Form der Plätze und Bauten selbst, nicht jedoch in Form von Benutzungs- oder Abnutzungsspuren. Die Schauplätze wirken in ihrem künstlich tadellosen Zustand zeitlos und befremdlich.

Diese Zeitlosigkeit und das Interesse an Geometrie und Illusionismus verbinden die Arbeiten der beiden Künstlerinnen. Auf ganz unterschiedliche und jeweils eigenständige Weise nähern sie sich dem Raum und seiner Wahrnehmung.

 

11.11.–3.12.2022

Kunstverein Landshut
Herrngasse 375
84028 Landshut

photos: Christina Kirchinger